Rotwein oder Blaumann?
Damit Ratschläge nicht zu “Schlägen” werden!
Oder: wie Sie das Ziel / den Auftrag des Gesprächs klären können
Perspektive A:
Kennen Sie das? Jemand erzählt Ihnen von einer schwierigen Situation und Sie haben eine Idee, wie es besser funktionieren könnte – jedoch blockt der andere plötzlich ab, Sie haben eine 2. Idee, auch die wird abgelehnt, ggf. fangen Sie beide an, sich in die Wolle zu bekommen oder das Gespräch endet abrupt… und Sie stehen da mit Ihrem guten Vorschlag und denken vielleicht: „Tja, dann eben nicht… aber frag mich bloß nicht nochmal… ist mir viel zu anstrengend – Du willst Dir ja doch nicht helfen lassen!“
Perspektive B:
Kennen Sie das? Sie hatten einen „doofen“ Tag / Termin / fühlen sich ausgelaugt… und Sie erzählen jemandem davon… und dieser andere fängt an, Sie mit Ideen, Vorschlägen, Ratschlägen zu „überschütten“ – woraufhin Sie anfangen, sich „doof / klein / unfähig …“ zu fühlen („Warum bin ich da nicht selbst darauf gekommen…?“)
Sie fangen an, diese gut gemeinten Vorschläge und Ratschläge als „Schläge“ zu empfinden und beginnen sich zu verteidigen, diese abzublocken.
Zugleich merken Sie, dass Sie etwas anderes brauch(t)en, jedoch ist die Stimmung jetzt echt im Keller, dafür ist es nun zu spät, es gibt Streit oder das Gespräch endet abrupt…
Privat oder beruflich – dies passiert so häufig, oder?
Tja, auch uns ging es so vor vielen Jahren … (und auch heute manchmal noch…)
Situation: Wir saßen beim Italiener, ein anstrengender Tag lag hinter mir (Sandra), ich hatte das Gefühl, ich hätte Dinge anders / besser machen sollen, können – und begann, davon zu erzählen.
Darauf reagierte Stefan, in seiner konstruktiven und hilfsbereiten Art, indem er mir Vorschläge machte – und die Dynamik nahm ihren Lauf (s.o.). In diesem Fall wurde ich irgendwann zuerst nervös, dann immer stiller und merkte, das, was ich wirklich brauchte, wäre etwas anderes, als das was hier bisher geschah – und wir begannen, darüber zu sprechen, was wir gerade taten.
Ich (Perspektive A) wollte über meinen Tag sprechen, laut nachdenken, verarbeiten, Verständnis für meine schwierige Situation, „auf´n Arm“, jemanden, der mir bei einem Glas Rotwein einfach zuhört – das ich dies brauchte und wollte, wurde mir jedoch erst so richtig klar, als Stefan (Perspektive B) bereits begonnen hatte, seinen „Werkzeugkoffer“ auszupacken und mir „im Blaumann“ viele – gut gemeinte, und, ja ich gestehe, richtig gute – Ideen anzubieten.
Seitdem – und es passiert immer mal wieder, mal so herum, mal anders herum – hilft uns folgendes: wir erinnern uns an diesen Abend sehr genau und inzwischen: sehr schnell! Wenn wir dies merken, dann sagen wir (nur noch): „Rotwein oder Blaumann?“
In der Kommunikationssprache heißt dies: „Wir klären den gegenseitigen Auftrag!“
Und oft – nach einer kurzen Phase des Zuhörens (beim Rotwein, Kaffee oder Tee…) – sind wir (Perspektive B) bereit und offen, die Ideen des anderen anzunehmen.
Aus Perspektive A wissen wir nun, ob wir den Auftrag haben, direkt „loszulegen“ oder (erst mal) zuzuhören…
Im Job ist es hilfreich zu klären, was wir von einander wollen / brauchen / geben können:
- WAS: Hilfe / Rat / Unterstützung ODER „ein offenes Ohr“?
- In welcher ROLLE (Mitarbeiter, Kollege, Vorgesetzter, freundschaft-licher Ratgeber o.ä.) wir gerade sind und sprechen / angesprochen werden?
- WANN soll / muss etwas geschehen?
Vielleicht heißt es dann bei Ihnen in Zukunft:
- „Tee oder Toolbox?“
- „Kaffee oder Krisenmeeting?“
- „Apfelsaft oder Actionplan?“
Viel Erfolg und konstruktive Dialoge wünschen Ihnen
Sandra und Stefan Kemser (kemser2)